Architektur
Baugemeinschaften, Teil 5: Experimentierfeld und Chance für die Stadt
Im Kollektiv gebaute Häuser können ihr gesamtes Umfeld positiv prägen. Dadurch bergen sie großes Potential für die Stadtentwicklung!
„Lebendige Viertel“ wünschen sich Städte, wenn sie Gebiete für Gemeinschaftsprojekte ausschreiben. Hintergrund ist die Idee, dass Baugruppen ihre Vorstellungen vom Leben und Wohnen in der Stadt verwirklichen. Anders als bei Investorenprojekten entsteht schon in der Bauphase eine Gemeinschaft, die die spätere Nachbarschaft prägt. Wie stark tragen Baugemeinschaften tatsächlich zur Entwicklung einer Stadt bei? Wir haben mit Florian Köhl von Fatkoehl Architekten gesprochen. Seit über zehn Jahren baut er für Baugemeinschaften in Berlin und hat das Netzwerk Berliner Baugruppenarchitekten mitgegründet.
Die Abbildungen zeigen verschiedene Baugruppenprojekte aus Deutschland.
Die Abbildungen zeigen verschiedene Baugruppenprojekte aus Deutschland.
Für Köhl ist die Frage, um die sich alles dreht: Wie wohnen wir künftig in der Stadt? In den Achtzigerjahren hat die Internationale Bauausstellung (IBA) in Berlin versucht, hierauf Antworten zu finden. Doch auch in der etwas weiter zurückliegenden Architekturgeschichte gab es bereits eine Reihe von Ideen zu alternativen Wohnformen, wie etwa die Handwerkerhäuser der Gründerzeit oder auch die Werkssiedlungen großer Unternehmen. In dieser Tradition stehen auch Baugemeinschaften. „Die Stadt ist ein Experimentierfeld für alternative Lebensmodelle“, so Köhl. Vorreiter sieht der Architekt, der in Berlin baut, vor allem in Süddeutschland. Hier gibt es eine Tradition, mit Baugemeinschaften neue Formen des Zusammenlebens auszuprobieren. Sowohl die Gemeinschaft im engeren Sinne als auch die Gesellschaft und gesellschaftspolitische Fragen stehen dabei zur Diskussion.
Autofreies Wohnen etwa stellen Baugemeinschaften häufig ins Zentrum ihrer Überlegungen, wie in einem Projekt in Heidelberg-Ziegelhausen. Doch auch Energiesparen oder Integration sind Fragen, die immer wieder bedacht werden. Wie viele seiner Kollegen, die für Baugemeinschaften bauen, ist Köhl Überzeugungstäter und wohnt selbst in einem solchen Projekt: „Leben in einem Baugemeinschaftshaus ist anders. Man kennt sein Haus und schätzt sich anders – positiv wie negativ.“ Für ihn sind derartige Gemeinschaften auch Folge eines gesellschaftlichen Bedürfnisses, eine Art Ersatzgemeinschaft.
„Die Förderung von Baugemeinschaften lohnt sich für eine Stadt jeder Größe“, betont Köhl. Während in verdichteten Metropolen Baugemeinschaften eine Möglichkeit sind, eigene Wohnträume zu verwirklichen, sind in kleineren Städten eher andere Gründe ausschlaggebend. „Gerade in sehr homogenen Gemeinden gibt es selten alternative Wohnmodelle wie etwa gemeinschaftliches Wohnen“, so Köhl. Baugemeinschaften könnten hier eine neue Entwicklung einleiten.
„Die Förderung von Baugemeinschaften lohnt sich für eine Stadt jeder Größe“, betont Köhl. Während in verdichteten Metropolen Baugemeinschaften eine Möglichkeit sind, eigene Wohnträume zu verwirklichen, sind in kleineren Städten eher andere Gründe ausschlaggebend. „Gerade in sehr homogenen Gemeinden gibt es selten alternative Wohnmodelle wie etwa gemeinschaftliches Wohnen“, so Köhl. Baugemeinschaften könnten hier eine neue Entwicklung einleiten.
Anforderung der Städte an Konzepte der Baugemeinschaften
„Es ist politischer Wille gefragt, um alternative Wohnmodelle zu fördern und zu unterstützen“, sagt Köhl. In Tübingen etwa, wo Baugemeinschaften aktiv und innovativ auftreten, fördert die Stadt diese Modelle. Allerdings lenkt sie auch: Bei einer Ausschreibung für Gemeinschaftsgrundstücke stellte Tübingen die Anforderung, Flüchtlinge in die Wohnprojekte zu integrieren. „Trotz der anspruchsvollen Aufgabe haben sich auf die acht ausgeschriebenen Grundstücke einhundertfünfzig Baugemeinschaften beworben“, lobt Köhl. Die Wohnform kann für Städte eine Bereicherung sein, da sie eben nicht auf Rendite, sondern auf das Zusammenleben abzielt und ihre Mitglieder auch soziale Verantwortung übernehmen.
Hamburg stellt bei der Vergabe von Grundstücken, die speziell für Baugemeinschaften reserviert sind, vor allem soziale Forderungen an die Konzepte und nutzt das Modell so für eine gezielte Stadtentwicklung.
Dass Baugemeinschaften kein Großstadtphänomen sind, zeigen neben Projekten aus Tübingen auch solche aus aus Weil am Rhein. Hier haben Baugruppen die Anforderungen der Stadt an energieeffizientes Wohnen nach ihren Vorstellungen umgesetzt.
„Es ist politischer Wille gefragt, um alternative Wohnmodelle zu fördern und zu unterstützen“, sagt Köhl. In Tübingen etwa, wo Baugemeinschaften aktiv und innovativ auftreten, fördert die Stadt diese Modelle. Allerdings lenkt sie auch: Bei einer Ausschreibung für Gemeinschaftsgrundstücke stellte Tübingen die Anforderung, Flüchtlinge in die Wohnprojekte zu integrieren. „Trotz der anspruchsvollen Aufgabe haben sich auf die acht ausgeschriebenen Grundstücke einhundertfünfzig Baugemeinschaften beworben“, lobt Köhl. Die Wohnform kann für Städte eine Bereicherung sein, da sie eben nicht auf Rendite, sondern auf das Zusammenleben abzielt und ihre Mitglieder auch soziale Verantwortung übernehmen.
Hamburg stellt bei der Vergabe von Grundstücken, die speziell für Baugemeinschaften reserviert sind, vor allem soziale Forderungen an die Konzepte und nutzt das Modell so für eine gezielte Stadtentwicklung.
Dass Baugemeinschaften kein Großstadtphänomen sind, zeigen neben Projekten aus Tübingen auch solche aus aus Weil am Rhein. Hier haben Baugruppen die Anforderungen der Stadt an energieeffizientes Wohnen nach ihren Vorstellungen umgesetzt.
Eigennutz oder Gemeinsinn
In Berlin, wo Gemeinschaftshäuser bisher oft die Lücken innerhalb der bestehenden Bebauung schlossen, gibt es kaum noch speziell für diese Bauform ausgeschriebene Grundstücke. „Die Stadt fördert zur Sicherung günstiger Wohnungen im Moment vor allem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Baugemeinschaften könnten hier ein weiterer, alternativer Baustein für die Stadtentwicklung sein“, erklärt Köhl.
Eine Mischung sozialer Schichten findet in solchen Projekten allerdings nicht unbedingt statt. „Baugemeinschaften sind mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie lediglich eine Alternative zum Investorenmodell und sehr elitär sind“, so Köhl.
In Berlin, wo Gemeinschaftshäuser bisher oft die Lücken innerhalb der bestehenden Bebauung schlossen, gibt es kaum noch speziell für diese Bauform ausgeschriebene Grundstücke. „Die Stadt fördert zur Sicherung günstiger Wohnungen im Moment vor allem die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Baugemeinschaften könnten hier ein weiterer, alternativer Baustein für die Stadtentwicklung sein“, erklärt Köhl.
Eine Mischung sozialer Schichten findet in solchen Projekten allerdings nicht unbedingt statt. „Baugemeinschaften sind mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie lediglich eine Alternative zum Investorenmodell und sehr elitär sind“, so Köhl.
Dieses Argument lässt der Architekt allerdings nicht gelten, da sich Baugemeinschaften eben nicht nur Gedanken zum eigenen Wohnen machen, sondern auch zu ihrem künftigen Wohnumfeld und dessen Gestaltungsmöglichkeiten. Schließlich ziehen die Beteiligten selbst ein und leben dort.
Ein Beispiel ist Spreefeld in Berlin: Eine Baugemeinschaft hatte das Ziel, auch Bezieher von Arbeitslosengeld II zu integrieren. Als sich die Baugemeinschaft dann in eine Genossenschaft wandelte, war Kreativität gefragt. Denn das Genossenschaftsmodell ist mit diesen staatlichen Leistungen nicht kompatibel. So entstanden statt der geplanten Wohnungen Wohngemeinschaften. In den Gästewohnungen sind mittlerweile Flüchtlinge untergebracht. Zudem ist das gesamte Erdgeschoss öffentlich. Es gibt eine Kita und sogenannte Optionsräume, die gegen eine geringe Miete für öffentliche Events zur Verfügung stehen. Auch das Spreeufer ist für jedermann frei zugänglich.
Ein Beispiel ist Spreefeld in Berlin: Eine Baugemeinschaft hatte das Ziel, auch Bezieher von Arbeitslosengeld II zu integrieren. Als sich die Baugemeinschaft dann in eine Genossenschaft wandelte, war Kreativität gefragt. Denn das Genossenschaftsmodell ist mit diesen staatlichen Leistungen nicht kompatibel. So entstanden statt der geplanten Wohnungen Wohngemeinschaften. In den Gästewohnungen sind mittlerweile Flüchtlinge untergebracht. Zudem ist das gesamte Erdgeschoss öffentlich. Es gibt eine Kita und sogenannte Optionsräume, die gegen eine geringe Miete für öffentliche Events zur Verfügung stehen. Auch das Spreeufer ist für jedermann frei zugänglich.
Neue Wohn- und Arbeitswelten
Mit Baugemeinschaften entstehen neue Typologien des Zusammenlebens, neue Wohn- und Arbeitsmodelle. Es gibt nicht nur Eigentumswohnungen für Familien, Singles oder Rentner. „Wir haben auch eine Wohngemeinschaft für Menschen ab fünfzig in einem Projekt. Da wohnen zehn Menschen auf vierhundert Quadratmetern. Andererseits gibt es auch Wohngemeinschaften, wo auf derselben Fläche zwanzig Menschen zusammenleben“, erzählt Köhl. Wesentlich ist dabei, welche Vorstellungen die jeweiligen Bauherren vom Wohnen haben und umsetzen wollen, denn die Größe der einzelnen Einheiten richtet sich nach ihren Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten.
Mit Baugemeinschaften entstehen neue Typologien des Zusammenlebens, neue Wohn- und Arbeitsmodelle. Es gibt nicht nur Eigentumswohnungen für Familien, Singles oder Rentner. „Wir haben auch eine Wohngemeinschaft für Menschen ab fünfzig in einem Projekt. Da wohnen zehn Menschen auf vierhundert Quadratmetern. Andererseits gibt es auch Wohngemeinschaften, wo auf derselben Fläche zwanzig Menschen zusammenleben“, erzählt Köhl. Wesentlich ist dabei, welche Vorstellungen die jeweiligen Bauherren vom Wohnen haben und umsetzen wollen, denn die Größe der einzelnen Einheiten richtet sich nach ihren Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten.
Baugemeinschaften prägen ihr Umfeld. „Investoren gehen generell ein geringeres Risiko ein. So wird beispielsweise auch das Erdgeschoss für Wohnungen verwendet. Gewerbeflächen stellen ein größeres Risiko dar, da sie schwieriger zu verkaufen sind. Baugemeinschaften gehen das Risiko eher ein, Platz für Gewerbe zu schaffen“, meint Köhl. Der Laden oder das Café ums Eck, die Kita oder das Büro im Haus sind Teil der Wohnqualität. Es zählt nicht allein der private Wohnraum, sondern auch die gemeinschaftlich genutzte Fläche.
Wie attraktiv das Modell der Baugemeinschaft ist, zeigt auch der Handwerkerhof Ottensen. Hier haben sich Handwerker und Gewerbetreibende zusammengeschlossen, um sich ihre ideale Arbeitsumgebung zu schaffen.
Wie attraktiv das Modell der Baugemeinschaft ist, zeigt auch der Handwerkerhof Ottensen. Hier haben sich Handwerker und Gewerbetreibende zusammengeschlossen, um sich ihre ideale Arbeitsumgebung zu schaffen.
Baugemeinschaftshäuser sind anders
Die Formen- und Farbensprache solcher Häuser weicht oft etwas vom Standard ab. „Baugemeinschaften haben einen leichteren Stil. Teilweise schauen sich Investoren diesen ab. Aber es gibt auch das Gegenteil“, erzählt Köhl. „In Berlin-Friedrichshain etwa hat sich ein Investor bewusst von den dort entstandenen Baugemeinschaftshäusern abgesetzt.“ Was der Fachmann erkennt, ist für den Laien nicht unbedingt sichtbar. Das bestätigt auch Köhl. Er resümiert: „Das Stadtbild ändert sich eher nicht, vielmehr spiegelt das Außen das Innen wider. In diesem Sinne sind Baugemeinschaften ein wichtiger Baustein in der Wirkung einer Stadt, auch architektonisch.“ In Tübingen ist dies im Wohngebiet Alte Weberei deutlich sichtbar. Lediglich die Kubatur der Gebäude war vorgeschrieben. Entstanden ist ein buntes Viertel, in dem jedes Haus anders aussieht und zum Ausdruck seiner Bewohner geworden ist.
In einer fünfteiligen Reihe gehen wir dem Thema Baugemeinschaften auf den Grund, geben wichtige Informationen und stellen Projekte von Baugemeinschaften vor.
Teil 1: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Baugemeinschaft?
Teil 2: Vorteile des Bauens in Gemeinschaft
Teil 3: Wie findet man eine Baugruppe?
Teil 4: Wie organisiert sich eine Baugruppe am besten?
Teil 5: Experimentierfeld und Chance für die Stadt
Die Formen- und Farbensprache solcher Häuser weicht oft etwas vom Standard ab. „Baugemeinschaften haben einen leichteren Stil. Teilweise schauen sich Investoren diesen ab. Aber es gibt auch das Gegenteil“, erzählt Köhl. „In Berlin-Friedrichshain etwa hat sich ein Investor bewusst von den dort entstandenen Baugemeinschaftshäusern abgesetzt.“ Was der Fachmann erkennt, ist für den Laien nicht unbedingt sichtbar. Das bestätigt auch Köhl. Er resümiert: „Das Stadtbild ändert sich eher nicht, vielmehr spiegelt das Außen das Innen wider. In diesem Sinne sind Baugemeinschaften ein wichtiger Baustein in der Wirkung einer Stadt, auch architektonisch.“ In Tübingen ist dies im Wohngebiet Alte Weberei deutlich sichtbar. Lediglich die Kubatur der Gebäude war vorgeschrieben. Entstanden ist ein buntes Viertel, in dem jedes Haus anders aussieht und zum Ausdruck seiner Bewohner geworden ist.
In einer fünfteiligen Reihe gehen wir dem Thema Baugemeinschaften auf den Grund, geben wichtige Informationen und stellen Projekte von Baugemeinschaften vor.
Teil 1: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Baugemeinschaft?
Teil 2: Vorteile des Bauens in Gemeinschaft
Teil 3: Wie findet man eine Baugruppe?
Teil 4: Wie organisiert sich eine Baugruppe am besten?
Teil 5: Experimentierfeld und Chance für die Stadt
Für viele Bauherren sind Baugemeinschaften eine Möglichkeit, ihre Vorstellungen vom Wohnen in der Stadt zu verwirklichen. Es geht aber noch weiter: Attraktiv an diesem Modell ist für viele auch, Ideen für das Miteinander und für die Nachbarschaft einbringen zu können. „Bei Baugemeinschaften geht es nicht um Wohnen an sich, sondern um die Form, wie gewohnt wird“, so Köhl. „Sie sind eine Emanzipationsmöglichkeit für die Bewohner der Stadt, aber auch für Architekten und Entwickler.“