Altbausanierung, Teil 1: Über schützenswerte Epochen
Alte Gebäude leben von ihrer Geschichte. Die will man bei Sanierungen möglichst erhalten. Doch ab wann ist ein Haus alt und schützenswert?
Der Begriff der Sanierung steckt ein weites Feld ab. Wenn von Altbausanierungen die Rede ist, wird man mit höchster Wahrscheinlichkeit an Gebäude aus der Gründerzeit (1870-1920) denken. Aber natürlich gibt es Sanierungsfälle aus allen Epochen der Baugeschichte. „Wir haben schon Bauten aus dem 15., 16., und 17. Jahrhundert bearbeitet“, sagt Sielke Schwager von MS Plus Architekten aus Münster. Die Sanierungsprojekte der Frankfurter Innenarchitektin Eva Lorey sind meist in Gründerzeithäusern angesiedelt. „Es war aber auch schon eines von 1873 dabei, das nicht denkmalgeschützt war.“
„Die Frage ist eigentlich nicht, in welchem Jahr ein Gebäude entstanden ist, sondern wie man mit seiner bestehenden Struktur umgeht. Insofern gilt es, auch ein Gebäude aus den 1960er-Jahren seinem Bestand entsprechend zu sanieren“, sagt Tina Kammer, Architektin von Studio Interior Park aus Stuttgart. Tatsächlich sind Bauten aus jüngerer Zeit häufig Repräsentanten eines bestimmten Stils, auch wenn sie (noch) nicht denkmalgeschützt sind. Es geht also darum zu beurteilen, was man vor sich hat: Ein geschütztes, ein schützenswertes oder ein normales Haus. Wir haben die drei Expertinnen für unsere Serie zur Sanierung von Altbauten zu ihren Erfahrungen befragt. Den Auftakt macht ein Überblick über relevante Epochen der Architekturgeschichte.
Alte Bausubstanz, was ist das überhaupt? „Wenn von historischen Gebäuden die Rede ist, dann versteht man darunter meistens die Gründerzeit oder noch ältere Gebäude“, sagt Sielke Schwager. „Doch Gebäude aus der Nachkriegszeit können genauso wichtige Repräsentanten ihrer Zeit sein.“ Gerade in Städten, die während des Zweiten Weltkrieges stark zerstört wurden, gibt es viele Gebäude aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, deren Sanierungszeit jetzt naht. „Daher geht es weniger um die Epoche als um die Frage, was ich vor mir habe. Ein Denkmal, ein besonders erhaltenswertes oder ein normales Haus“, sagt Schwager.
Nach dem Krieg begriff man vielerorts die große Zerstörung als Chance, moderne, grüne, verkehrsoptimierte und hygienische Städte zu errichten. Erst nach Jahrzehnten kam vielen der Verlust der alten Bausubstanz zu Bewusstsein. Eine Gegenbewegung begann, und man legte wieder größeres Augenmerk auf den Erhalt alter Gebäude.
Nach dem Krieg begriff man vielerorts die große Zerstörung als Chance, moderne, grüne, verkehrsoptimierte und hygienische Städte zu errichten. Erst nach Jahrzehnten kam vielen der Verlust der alten Bausubstanz zu Bewusstsein. Eine Gegenbewegung begann, und man legte wieder größeres Augenmerk auf den Erhalt alter Gebäude.
„Erst in den Siebzigerjahren erwachte in Deutschland wieder ein größeres Bewusstsein für den Denkmalschutz. Man reagierte damit auf unsensible Stadterneuerungen während der Nachkriegszeit“, sagt Innenarchitektin Eva Lorey.
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Faszination Gründerzeit. Gründerzeitarchitektur fällt in die Zeit ab 1850 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts (Jugendstilarchitektur ist davon jedoch zu unterscheiden). Typisch ist etwa die vier- bis sechsgeschossige Blockrandbebauung in Städten.
„Faszinierend an diesen alten Gebäuden ist allein schon Ihre hundertjährige Geschichte“, sagt Lorey. „Verzierte Fassaden, großzügige Proportionen und Raumhöhen von bis zu 4,50 Metern, das sind so Dinge, die eine Behaglichkeit ausstrahlen, die viele Neubauten vermissen lassen. Man kann heute auch kaum noch so großzügig bauen.“ Diese Vorzüge gilt es zu erhalten und den Rest modernen Wohnansprüchen anzupassen.
Klassische Schwachpunkte der Gründerzeitarchitektur. Meistens machen die Holzbalkendecken und Keller Probleme. Trittschallschutz muss nachgerüstet werden, kann aber oft nicht an moderne Standards angepasst werden.
Feuchte Sockel sind auch ein häufig auftretendes Problem. „Hier hat es sich bewährt, Heizrohre auf die Wände aufzusetzen oder einzustemmen und den Rücklauf der Heizung hindurchzuführen. Man nennt das Bauteiltemperierung“, sagt Schwager.
Außerdem entspricht die Konzeption gründerzeitlicher Küchen und Bäder längst nicht mehr unseren heutigen Ansprüchen. „Aber mit einer sensiblen und zeitlosen Gestaltung kann man moderne Ansprüche mit der alten Substanz vereinen“, sagt Lorey.
„Faszinierend an diesen alten Gebäuden ist allein schon Ihre hundertjährige Geschichte“, sagt Lorey. „Verzierte Fassaden, großzügige Proportionen und Raumhöhen von bis zu 4,50 Metern, das sind so Dinge, die eine Behaglichkeit ausstrahlen, die viele Neubauten vermissen lassen. Man kann heute auch kaum noch so großzügig bauen.“ Diese Vorzüge gilt es zu erhalten und den Rest modernen Wohnansprüchen anzupassen.
Klassische Schwachpunkte der Gründerzeitarchitektur. Meistens machen die Holzbalkendecken und Keller Probleme. Trittschallschutz muss nachgerüstet werden, kann aber oft nicht an moderne Standards angepasst werden.
Feuchte Sockel sind auch ein häufig auftretendes Problem. „Hier hat es sich bewährt, Heizrohre auf die Wände aufzusetzen oder einzustemmen und den Rücklauf der Heizung hindurchzuführen. Man nennt das Bauteiltemperierung“, sagt Schwager.
Außerdem entspricht die Konzeption gründerzeitlicher Küchen und Bäder längst nicht mehr unseren heutigen Ansprüchen. „Aber mit einer sensiblen und zeitlosen Gestaltung kann man moderne Ansprüche mit der alten Substanz vereinen“, sagt Lorey.
„Was mich an der Gründerzeit besonders fasziniert, ist die hohe Handwerkskunst“, sagt Schwager. „Solche Stuckateur- und Tischlerarbeiten sind in der Qualität heute kaum noch herzustellen, geschweige denn zu bezahlen.“ Historische Stuckateursarbeiten, wie sie in der Gründerzeit üblich waren, stellen also heute kostbare Details dar, die es zu erhalten gilt.
Faszination Fachwerkhaus. Fachwerkskonstruktionen waren in Mitteleuropa seit dem hohen Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert hinein weit verbreitet. Im 20. Jahrhundert versteckte man Fachwerk gerne unter Putz, weil es als ärmlich und altmodisch galt, solche Häuser zu bewohnen. Heute legt man die Balken wieder frei, wo immer das möglich ist, und freut sich am vielen Holz und den Raumformen, die selten noch rechte Winkel besitzen.
Klassische Schwachpunkte von Fachwerkhäusern. Bedingt durch die Konstruktion gibt es bei Fachwerkhäusern einige sehr spezifische Schadensbilder wie angefaultes Holz, fehlende Balkenteile, klemmende Türen und Fenster sowie lose oder schon herausgefallene Gefache.
Klassische Schwachpunkte von Fachwerkhäusern. Bedingt durch die Konstruktion gibt es bei Fachwerkhäusern einige sehr spezifische Schadensbilder wie angefaultes Holz, fehlende Balkenteile, klemmende Türen und Fenster sowie lose oder schon herausgefallene Gefache.
Faszination der frühen Moderne. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es einen großen Bruch im Gestaltungskontinuum der westlichen Kultur. Man definierte alles neu, so auch die Architektur. Der offene Grundriss, Funktionalität, Fensterbänder, das Flachdach und Schnörkellosigkeit markieren den Beginn dieser neuen Ära. Gebäude aus der Zeit der frühen Moderne (seit den 1920er-Jahren) sind heute oft unter Schutz gestellt, wie die Hufeisensiedlung in Berlin-Britz von Bruno Taut, die mittlerweile dem Unesco-Weltkulturerbe angehört. Eines der Siedlungshäuser (im Bild) wurde kürzlich akribisch bis ins letzte Innenraumdetail saniert.
„Im Gegensatz zur Gebäudehülle werden Innenräume immer wieder dem jeweiligen Nutzen angepasst. Im Laufe der Zeit verändert sich dadurch der Bestand, und es finden sich selten originale Details wie Stuck oder altes Parkett. Die gestalterischen Freiheiten bewegen sich innerhalb der vorgegebenen Strukturen, denn Wände und Installationen lassen sich nicht immer verändern. Der Reiz der Gestaltung liegt in der Annäherung an die Gegebenheiten des Bestands“, sagt Architektin Tina Kammer.
Typische Schadensbilder bei Bauten der frühen Moderne. Bauliche Probleme bei Häusern der frühen Moderne ähneln denen von Gründerzeitbauten. Sie haben nicht die heutigen Standards der Trittschalldämmung und feuchte Sockelgeschosse.
Typische Schadensbilder bei Bauten der frühen Moderne. Bauliche Probleme bei Häusern der frühen Moderne ähneln denen von Gründerzeitbauten. Sie haben nicht die heutigen Standards der Trittschalldämmung und feuchte Sockelgeschosse.
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Faszination der späten Moderne. Baugeschichtlich bedeutsame Gebäude sind auch in der jüngeren Geschichte zu finden. Oft stehen sie noch gar nicht unter Schutz, wie dieses Münsteraner Architektenhaus aus den Sechzigerjahren, das Sielke Schwagers Büro MSHS Architekten mit Respekt für dessen Geschichte sanierte. Häuser der Fifites und Sixties sind oft sparsam in der Bauweise. Dennoch sieht man in ihnen die Ideen des modernen Bauens verwirklicht, mit offenen Grundrissen und großen Fensterfronten. Besondere Raumkompositionen können Sie hier ebenso entdecken, wie tolle Treppenhäuser.
Klassische Schwachpunkte von Bauten der späten Moderne: Problematisch sind die oft sehr niedrigen Räume und sparsam dimensionierte Decken.
Klassische Schwachpunkte von Bauten der späten Moderne: Problematisch sind die oft sehr niedrigen Räume und sparsam dimensionierte Decken.
Faszination der Siebzigerjahre. Selbst Häuser aus den Siebzigerjahren können so viel Zeittypisches besitzen, dass man ihre Sanierung ganz behutsam vorantreiben sollte. Baugeschichtlich gesehen befinden wir uns an der Schwelle zwischen später Moderne und Postmoderne, was diesem Haus in Stuttgart mit seiner Freude an schiefen Winkeln und Asymmetrien deutlich anzumerken ist.
Klassische Schwachpunkte von Bauten der Siebzigerjahre: Nach heutigem Standard sind die Gebäude nicht energieeffizient. Außerdem sind Innenräume häufig dunkler und kleinteiliger konzipiert, als man es heute tun würde. Das Problem der Kleinteiligkeit gilt auch für die Fenster.
Klassische Schwachpunkte von Bauten der Siebzigerjahre: Nach heutigem Standard sind die Gebäude nicht energieeffizient. Außerdem sind Innenräume häufig dunkler und kleinteiliger konzipiert, als man es heute tun würde. Das Problem der Kleinteiligkeit gilt auch für die Fenster.
Die Architekten von Strauss gingen bei der Sanierung auf Besonderheiten ein und passten das Gebäude an zeitgenössische Standards an. Das heißt, sie machten es vor allem heller und fassten Gruppen kleiner Fenster zu großen Fronten zusammen.
ALLE TEILE DER SERIE ZUR ALTBAUSANIERUNG
Teil 2: Vorbereitung und Entwurf
Teil 3: Der gute Draht zum Denkmalamt
Teil 4: Historische Farbkonzepte wiederentdecken
Teil 5: Richtig dämmen, dichten, lüften
ALLE TEILE DER SERIE ZUR ALTBAUSANIERUNG
Teil 2: Vorbereitung und Entwurf
Teil 3: Der gute Draht zum Denkmalamt
Teil 4: Historische Farbkonzepte wiederentdecken
Teil 5: Richtig dämmen, dichten, lüften