Kunst am Boden: Die Meister-Terrazzieri aus dem Saarland
Die Kunst der Terrazzoherstellung war jahrzehntelang nahezu vergessen – heute rennen Architekten und Bauherren Familie Hess die Bude ein
Wenn Peter und Normann Hess auf der Baustelle anrücken, bringen sie viele Jahre an Erfahrung mit: Großvater Kurt gründete 1959 seinen Fliesen-, Platten- und Mosaikbetrieb. Dann ließ sich dessen Sohn Peter bis 1977 zum Betonstein- und Terrazzohersteller ausbilden und schloss als Bundessieger in seinem Gewerk ab. Peters Sohn Normann Hess wiederum ist seit 2009 dabei und hat sich auf Mosaike spezialisiert. Das Familienteam ist gut im Geschäft, denn neuerdings geht die Beliebtheitskurve für Terrazzo, den Estrich mit Steinzuschlägen, wieder steil nach oben: „In den siebziger Jahren war Terrazzo tot. Kein Mensch hatte mehr Interesse daran“, sagt Normann Hess. Inzwischen verlieben sich immer mehr Architekten und Bauherren in die alte Technik. Und wer die Herren Hess engagiert, bekommt preußische Akkuratesse gepaart mit italienischer Kunstfertigkeit. Die genaue Zusammensetzung der Böden ist ein gut gehütetes Familiengeheimnis.
„Der erste Terrazzo-Boom war um 1900 herum, als viele italienische Einwanderer nach Deutschland kamen und das Wissen um die Herstellung der Böden mitbrachten. In den Fünfzigerjahren folgte, wieder durch italienische Einwanderer beflügelt, die zweite Hochphase der Terrazzoherstellung“, erzählt Normann Hess.
Danach breitete sich PVC auf deutschen Fußböden aus, das kunstvolle Handwerk geriet mehr und mehr in Vergessenheit, bis sich vor etwa 20 Jahren Architekt Johannes Götz aus Köln an Peter Hess wandte und einen Terrazzo haben wollte. Bilder des Projektes machten schnell die Runde und andere Architekten klopften bei Hess an.
Im Bild ein Terrazzo, den der Familienbetrieb für Götz’ Haus Pohlmann in Damme anfertigte.
Danach breitete sich PVC auf deutschen Fußböden aus, das kunstvolle Handwerk geriet mehr und mehr in Vergessenheit, bis sich vor etwa 20 Jahren Architekt Johannes Götz aus Köln an Peter Hess wandte und einen Terrazzo haben wollte. Bilder des Projektes machten schnell die Runde und andere Architekten klopften bei Hess an.
Im Bild ein Terrazzo, den der Familienbetrieb für Götz’ Haus Pohlmann in Damme anfertigte.
Johannes Götz arbeitet viel im Bestand, und auch bei seinen eigenen Entwürfen ist die Architektursprache schon immer klassisch gewesen. Durch seine Projekte wurden andere Architekten auf die Terrazzoböden aus dem Hause Hess aufmerksam. „Inzwischen arbeiten wir mit großen Büros wie Max Dudler und Sauerbruch Hutton zusammen, und zwar überall im Bundesgebiet und durch unseren Standort im Saarland auch in Luxemburg und der Schweiz“, sagt Norman Hess.
Von Marmorplatten eingefasst, zieht dieser Terrazzoboden, wiederum nach Entwürfen von Johannes Götz im „Haus Kutzim“, Frankfurt, gefertigt, die Blicke auf sich.
Auch „Haus Jax“ in Trier entwarf der Architekt Johannes Götz, wieder ließ er die Firma Hess den Fußboden im Eingangsbereich anfertigen.
Was ist Terrazzo?
Im Grunde handelt es sich bei Terrazzo um einen klassischen Estrich, in den Zuschläge in Form kleiner Steinchen kommen und der mit grauem oder weißem Portlandzement gebunden wird. Was deutsche von italienischen Böden unterscheidet, beschreibt Norman Hess so: „Bei italienischen Böden ist alles etwas weniger ordentlich. Muster und Friese werden locker eingestreut, wobei man nicht sonderlich auf Akkuratesse achtet. Deutschen Terrazzoböden sieht man dagegen die preußischen Tugenden an. Außerdem ist der Fußbodenaufbau moderner deutscher Terrazzo-Böden viel komplexer. Durch das mediterrane Klima kann in Italien der Terrazzo einfach auf den Beton-Unterboden gegossen werden. In Deutschland brauchen wir Fußbodenaufbauten mit Dämmung, oft wird auch eine Fußbodenheizung eingebaut.“
Was ist Terrazzo?
Im Grunde handelt es sich bei Terrazzo um einen klassischen Estrich, in den Zuschläge in Form kleiner Steinchen kommen und der mit grauem oder weißem Portlandzement gebunden wird. Was deutsche von italienischen Böden unterscheidet, beschreibt Norman Hess so: „Bei italienischen Böden ist alles etwas weniger ordentlich. Muster und Friese werden locker eingestreut, wobei man nicht sonderlich auf Akkuratesse achtet. Deutschen Terrazzoböden sieht man dagegen die preußischen Tugenden an. Außerdem ist der Fußbodenaufbau moderner deutscher Terrazzo-Böden viel komplexer. Durch das mediterrane Klima kann in Italien der Terrazzo einfach auf den Beton-Unterboden gegossen werden. In Deutschland brauchen wir Fußbodenaufbauten mit Dämmung, oft wird auch eine Fußbodenheizung eingebaut.“
Welche Farbe der Terrazzo bekommt, hängt vom Zement und den Zuschlägen ab. Bei diesem Boden in einer Küche in Limburg wurde der Zement mit schwarzer Oxidfarbe eingefärbt. „In der Regel bestimmt man aber die Hintergrundfarbe des Terrazzo durch das Mischen von Sanden. Also schwarzer Sand wie zum Beispiel Nero-Ebano, mit weißem Sand wie Bianco Verona“, erklärt Hess. Die Zuschläge sind verschiedene Marmorgesteine: Nero Ebano, Marone Mogano und Bianco Verona. Getrennt wurden die verschiedenfarbigen Felder durch eine sogenannte Mosaikbordüre.
Restaurierung & Pflege von Terrazzoböden
Neben kompletten Neuaufbauten kümmern sich die Terrazzieri rund um Peter Hess auch um alte Böden, die saniert werden müssen. Die Risse in diesem Terrazzo wurden geschlossen, der gesamte Boden bekam einen neuen Feinschliff und wurde poliert. Durch eine Imprägnierung und die richtigen Pflegeprodukte – Schmier- oder spezielle Steinseifen – bleibt der Terrazzo dann über Jahrzehnte wie neu. Im Hintergrund ist eine Bodenschleifmaschine zu sehen. Mit ihr werden die Böden nass geschliffen.
Neben kompletten Neuaufbauten kümmern sich die Terrazzieri rund um Peter Hess auch um alte Böden, die saniert werden müssen. Die Risse in diesem Terrazzo wurden geschlossen, der gesamte Boden bekam einen neuen Feinschliff und wurde poliert. Durch eine Imprägnierung und die richtigen Pflegeprodukte – Schmier- oder spezielle Steinseifen – bleibt der Terrazzo dann über Jahrzehnte wie neu. Im Hintergrund ist eine Bodenschleifmaschine zu sehen. Mit ihr werden die Böden nass geschliffen.
Kunst, freihand: Terrazzo mit Zierelementen
Für Zierelemente wie diese Lotusblüten zeichnet Norman Hess verantwortlich. Er entwickelte diese Form auf Wunsch der Hausherrin, was diese pro gelegtem Motiv 200-250 Euro kostete. Womit wir bei der Frage wären, die sich an dieser Stelle wahrscheinlich so mancher stellen wird: Ist ein solcher Boden überhaupt bezahlbar? Die Antwort mag positiv überraschen – er ist: Ein waschechter Terrazzo von Terrazzo Peter Hess kostet pro Quadratmeter circa 180 Euro (die Grundfläche sollte mindestens 25 Quadratmeter betragen). Teurer wird es, wenn man sich eine Marmorbordüre, Friese oder Zierelemente wie eben die Lotusblüten wünscht. „Wenn ich ein Muster schon einmal gelegt habe, ist ein Mosaik günstiger, am teuersten ist der Erstentwurf“, erklärt Norman Hess, der sich Mosaiksteine in Quader und Trapeze schlägt und die Motive dann freihand legt.
Für Zierelemente wie diese Lotusblüten zeichnet Norman Hess verantwortlich. Er entwickelte diese Form auf Wunsch der Hausherrin, was diese pro gelegtem Motiv 200-250 Euro kostete. Womit wir bei der Frage wären, die sich an dieser Stelle wahrscheinlich so mancher stellen wird: Ist ein solcher Boden überhaupt bezahlbar? Die Antwort mag positiv überraschen – er ist: Ein waschechter Terrazzo von Terrazzo Peter Hess kostet pro Quadratmeter circa 180 Euro (die Grundfläche sollte mindestens 25 Quadratmeter betragen). Teurer wird es, wenn man sich eine Marmorbordüre, Friese oder Zierelemente wie eben die Lotusblüten wünscht. „Wenn ich ein Muster schon einmal gelegt habe, ist ein Mosaik günstiger, am teuersten ist der Erstentwurf“, erklärt Norman Hess, der sich Mosaiksteine in Quader und Trapeze schlägt und die Motive dann freihand legt.
Im fertigen Boden sieht eine Lotusblüte so aus. Motive wie dieses werden für die Ecken eines Raumes entwickelt und wiederholt. Man spricht deshalb auch von einer Eckausbildung.
Peter und Norman Hess haben schon viele Reisen nach Italien unternommen und sich dort alte Böden angesehen. „Meistens war ich in Mailand, Verona und Venedig“, erzählt Norman Hess. „Ob in alten Geschäften, Ladenlokalen oder Hotels – ich finde dort sehr viel Inspiration.“ Für den Ausstellungsraum des Betriebes in St. Wendel legte er hier ein Mosaik, das, nach antikem Vorbild, die Göttin Hera zeigt.
Terrazzo auf die authentisch antike Art
„Opus signinum“ – das ist Terrazzo nach antiker Art. Vor der Zeit der Schleifmaschinen, als dieser Arbeitsschritt noch per Hand ausgeführt wurde, bestanden die Zuschläge nicht aus Stein, sondern aus Ziegel-, Terrakotta- und Keramikstücken. Bei Terrazzo Peter Hess beschäftigte man sich intensiv mit der alten Herstellungsweise und arbeitete dafür sogar mit einem Archäologen zusammen. „Die Herausforderung bei Opus signinum besteht darin, die richtigen Bestandteile zu ermitteln. Die verwendeten Sande beispielsweise müssen knistern, wenn man sie zwischen den Fingern zerreibt. Daran lässt sich erkennen, dass sie die nötige Härte besitzen. Wenn hier nicht alles stimmt, zerbröselt Ihnen ein solcher Boden nach kürzester Zeit“, sagt Norman Hess. Dass bei ihrer Variante alles stimmte, beweist der Förderpreis der saarländischen Handwerkskammer, den die Firma für die Herstellung dieses authentischen Bodens im Europäischen Kulturpark Bliesbruck Reinheim gewann. Es handelt sich dabei um die größte aus „Opus signinum“ rekonstruierte Fläche Europas.
„Opus signinum“ – das ist Terrazzo nach antiker Art. Vor der Zeit der Schleifmaschinen, als dieser Arbeitsschritt noch per Hand ausgeführt wurde, bestanden die Zuschläge nicht aus Stein, sondern aus Ziegel-, Terrakotta- und Keramikstücken. Bei Terrazzo Peter Hess beschäftigte man sich intensiv mit der alten Herstellungsweise und arbeitete dafür sogar mit einem Archäologen zusammen. „Die Herausforderung bei Opus signinum besteht darin, die richtigen Bestandteile zu ermitteln. Die verwendeten Sande beispielsweise müssen knistern, wenn man sie zwischen den Fingern zerreibt. Daran lässt sich erkennen, dass sie die nötige Härte besitzen. Wenn hier nicht alles stimmt, zerbröselt Ihnen ein solcher Boden nach kürzester Zeit“, sagt Norman Hess. Dass bei ihrer Variante alles stimmte, beweist der Förderpreis der saarländischen Handwerkskammer, den die Firma für die Herstellung dieses authentischen Bodens im Europäischen Kulturpark Bliesbruck Reinheim gewann. Es handelt sich dabei um die größte aus „Opus signinum“ rekonstruierte Fläche Europas.
Ganz ohne Schnörkel liegt ein dunkler Terrazzo auf dem Boden dieses 120-Quadratmeter-Lofts in Trier.
Fugenlos, aus natürlichen Materialien komponiert und von Hand hergestellt – Terrazzo hat Eigenschaften, die wir heute wieder schätzen. Er kann genauso gut schlicht und minimalistisch wie farbenfroh und mit Ornamenten hergestellt werden. Damit nichts dazwischen kommt, Spannungsrisse beispielsweise, werden alle fünf Meter Dehnprofile in den noch flüssigen Boden eingebracht – sie bestehen aus Messing, Kunststoff oder Aluminium, sind schleifbar und reichen bis in die Unterschicht, wodurch sie den Boden in kleinere Felder unterteilen und damit Rissbildungen verhindern.
„Ich behaupte, fugenlose zementgebundene Böden werden in Zukunft den Trend bestimmen“, sagt Normann Hess. „Schauen Sie sich um: An den Flughäfen von Miami oder Bangkok – Terrazzo. Warum? Diese Böden sind extrem belastbar, bieten eine riesige Gestaltungsfreiheit und sind sehr leicht sauber zu halten. Alles, was man dazu braucht, sind Wasser und Reinigungspads.“ Genau das macht sie auch unschlagbar gegenüber billigen Kopien. „Es gibt einiges an Kunststoffböden, was sich Terrazzo nennt und nichts mit echtem Terrazzo zu tun hat. Solche epoxidharzgebundenen Böden müffeln nach Plastik, sind längst nicht so belastbar und oft nicht lichtecht“, sagt Hess. „Zur Zeit kämpfen wir mit einer Handvoll kleiner Betriebe und dem Dachverband darum, den Begriff schützen zu lassen. In der DIN 18353 wird er schließlich klar definiert.“
Möge es glücken und das Handwerk gewinnen. Ein Königreich für den Terrazzo!
MEHR
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Fugenlos, aus natürlichen Materialien komponiert und von Hand hergestellt – Terrazzo hat Eigenschaften, die wir heute wieder schätzen. Er kann genauso gut schlicht und minimalistisch wie farbenfroh und mit Ornamenten hergestellt werden. Damit nichts dazwischen kommt, Spannungsrisse beispielsweise, werden alle fünf Meter Dehnprofile in den noch flüssigen Boden eingebracht – sie bestehen aus Messing, Kunststoff oder Aluminium, sind schleifbar und reichen bis in die Unterschicht, wodurch sie den Boden in kleinere Felder unterteilen und damit Rissbildungen verhindern.
„Ich behaupte, fugenlose zementgebundene Böden werden in Zukunft den Trend bestimmen“, sagt Normann Hess. „Schauen Sie sich um: An den Flughäfen von Miami oder Bangkok – Terrazzo. Warum? Diese Böden sind extrem belastbar, bieten eine riesige Gestaltungsfreiheit und sind sehr leicht sauber zu halten. Alles, was man dazu braucht, sind Wasser und Reinigungspads.“ Genau das macht sie auch unschlagbar gegenüber billigen Kopien. „Es gibt einiges an Kunststoffböden, was sich Terrazzo nennt und nichts mit echtem Terrazzo zu tun hat. Solche epoxidharzgebundenen Böden müffeln nach Plastik, sind längst nicht so belastbar und oft nicht lichtecht“, sagt Hess. „Zur Zeit kämpfen wir mit einer Handvoll kleiner Betriebe und dem Dachverband darum, den Begriff schützen zu lassen. In der DIN 18353 wird er schließlich klar definiert.“
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Den Familienbetrieb gibt es seit 1959. Kurt Hess führte ihn zunächst zehn Jahre lang in Weinsberg, verliebte sich dann und zog von Franken ins saarländische St Wendel um. Die 26.000-Einwohner-Stadt ist bis heute der Firmenstandort. Vier Mitarbeiter hat der Betrieb, darunter auch Peter Hess’ Frau, die sich ums Buchhalterische kümmert. Wie er zu seinem Handwerk kam, beschreibt Peter Hess (im Bild oben rechts) auf seiner Firmenseite so lyrisch, dass wir es hier wiedergeben wollen: „Im Alter von 14 Jahren begann ich meine Lehre als Betonstein- und Terrazzohersteller unter der Obhut des Terrazzieri Salvadore Favelli. Da Herr Favelli kinderlos war, behandelte er mich wie seinen eigenen Sohn und gab mir sein Wissen über das Terrazzohandwerk weiter. So bereiste ich als junger Knabe in meinen Ferien die Region um Florenz und half jenem Terrazzieri, wunderschöne Ortsterrazzoböden zu erstellen.“ Umso bedauernswerter, dass in den Siebzigerjahren niemand mehr etwas von der alten Kunst wissen wollte.